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Rede des Kanzlers beim deutsch-kasachischen Wirtschaftsforum

Bundeskanzler Olaf Scholz und Staatspräsident Kasym-Jomart Tokajew beim Business-Forum in Astana. Foto: Eduard Kinsbruner

Anlässlich des deutsch-kasachischen Wirtschaftsforums am 16. September 2024 in Astana hielt Bundeskanzler Olaf Scholz eine Rede zu den deutsch-kasachischen Wirtschaftsbeziehungen. Die Mitschrift der Rede, die unter Rede des Kanzlers beim deutsch-kasachischen Wirtschaftsforum (bundesregierung.de) veröffentlicht wurde, möchten wir an dieser Stelle dokumentieren. Es gilt das gesprochene Wort.

Lesen Sie hier die Mitschrift der Rede:

Sehr geehrter Herr Präsident Tokajew,
meine Damen und Herren,

es ist mir eine große Freude, heute zum ersten Mal als Bundeskanzler hier in Kasachstan zu sein. Unsere Länder verbinden über 30 Jahre diplomatische Beziehungen und eine noch sehr viel längere, wechselvolle Geschichte.

Unsere Länder verbinden aber vor allem auch unzählige persönliche Bindungen, Familien- und Lebensgeschichten. Die 200 000 Bürgerinnen und Bürger deutscher Herkunft in Kasachstan und die mehr als 800 000 Bürgerinnen und Bürger in Deutschland, die aus Kasachstan nach Deutschland eingewandert sind, sie bilden eine feste Brücke zwischen unseren Ländern, die wir sehr schätzen, die wir pflegen und die uns auch in Zukunft verbinden wird. Dafür arbeiten wir eng zusammen in der Kultur- und Bildungspolitik, mit der Deutsch-Kasachischen Universität in Almaty, mit deutschen Partnerschulen und mit vielfältigen Austauschprogrammen.

Natürlich ist diese enge menschliche Verbindung auch ein wichtiger zusätzlicher Motor für unsere gute wirtschaftliche Zusammenarbeit, um deren entschiedenen Ausbau es hier und heute gehen soll. Jetzt ist dafür die richtige Zeit – und zwar nicht trotz, sondern wegen der unruhigen internationalen Lage, wegen der Störungen im internationalen Handel und auch wegen der vielen globalen Herausforderungen, allen voran durch den Klimawandel. In dieser Zeit der Unsicherheit brauchen wir enge, vertrauensvolle internationale Partnerschaften über Grenzen, über kulturelle Unterschiede und auch über teilweise unterschiedliche Weltsichten hinweg. Das unterstreicht die Bedeutung unserer Beziehungen und deren Konstanz gegenüber der gesamten Region Zentralasien.

Kasachstan nimmt darin für uns eine ganz zentrale Rolle ein. Mit dem höchsten Bruttoinlandsprodukt, sowohl absolut als auch pro Kopf, ist Kasachstan der größte Handelspartner Deutschlands in der Region. Dieses gestiegene Interesse unserer Unternehmen aneinander freut mich. Gleichzeitig bin ich dankbar für den vertrauensvollen Dialog zwischen uns, mit dem wir verhindern wollen, dass der Handel zwischen uns zur Umgehung von Sanktionen missbraucht wird.

Kasachstan zieht deutsche Investoren an und bietet dafür ein günstiges Umfeld. Das wissen wir und das wissen auch deutsche Unternehmen sehr zu schätzen. Ich weiß, dass deutsche Unternehmen und ihre Produkte auch hier in Kasachstan einen guten Ruf haben Das liegt sicherlich auch daran, dass sie keinen Extraktivismus, keinen Raubbau betreiben, sondern verantwortlich handeln ‑ indem sie gute Arbeitsplätze hier vor Ort schaffen, indem sie ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und deren Ausbildung schätzen und darin investieren, indem sie hohe soziale und Umweltstandards setzen und indem sie mehr Wertschöpfung auch hier vor Ort schaffen. Beide Seiten profitieren von diesem Austausch, weil wir unsere Wirtschaften so diversifizieren und widerstandsfähiger machen.

Ein ganz konkretes Beispiel hierfür sind die Öllieferungen aus Kasachstan, die uns sehr geholfen haben, nachdem Russland als Versorger ausgefallen war. Sie waren und sind von entscheidender Bedeutung, insbesondere für die Raffinerie in Schwedt, wo wir zahlreiche Arbeitsplätze erhalten konnten. Für diese wichtige Zusammenarbeit, die fortgesetzt wird, sind wir Kasachstan sehr dankbar.

Wie umfassend die deutsch-kasachische Zusammenarbeit ist, zeigt sich an der schieren Fülle der Themen.

Erstes Stichwort: Klimawandel. Dieser wirkt sich ganz besonders stark auf die Länder Zentralasiens aus. Deswegen arbeiten wir in der von Deutschland ins Leben gerufenen Initiative „Green Central Asia“ zusammen, um Klimarisiken zu begegnen und die Widerstandsfähigkeit der kasachischen Wirtschaft zu erhöhen.

Der Umbau unserer Wirtschaft in Richtung Klimaneutralität bringt Chancen, gerade auch für die Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern. Bereits heute arbeiten wir in Sachen Energiesicherheit, nachhaltigen Wirtschaftens und der Entwicklung der nötigen Infrastruktur eng zusammen.

Hinzu kommt das Thema Wasserstoff. Das Projekt „Hyrasia One“ ist ein beeindruckendes Beispiel für die Möglichkeiten, die sich uns bieten. Es ist eines der größten Projekte für grünen Wasserstoff in der Region, mit dem Zeug dazu, ein echtes Leuchtturmprojekt für unsere Zusammenarbeit zu werden. Dass sich das deutsche Büro für Wasserstoffdiplomatie in Zentralasien für Kasachstan als Standort entschieden hat, war kein Zufall, sondern unterstreicht die wichtige Rolle, die Kasachstan hier spielt. Das Wasserstoffbüro arbeitet übrigens gerade an einer Studie zum weiteren Potenzial für die Erzeugung von grünem Wasserstoff in ganz Zentralasien. Das schafft die Basis für weitere konkrete Projekte, und ich lade sowohl staatliche Verantwortliche als auch Unternehmen in Zentralasien und Deutschland herzlich ein, sich daran zu beteiligen.

Zweites Stichwort: Transformation. Wir schauen auf Kasachstan als wichtigen Partner, wenn es um kritische Rohstoffe geht. Gemeinsam streben wir daher an, diese auch für eine erfolgreiche Energiewende notwendigen Rohstoffe unter Einbeziehung deutscher Technologien und deutschen Know-hows zu gewinnen und stärker in den Fokus unseres wirtschaftlichen Austauschs zu stellen – und zwar so, dass mehr Wertschöpfung hier vor Ort generiert wird.

Drittes Stichwort: Konnektivität. Wir wollen zwischen unseren Regionen enger zusammenrücken, und das heißt, die Transportwege schneller ausbauen. Im Vordergrund steht vor allem der Ausbau des mittleren Korridors. Die Europäische Global Gateway Initiative wird wichtige Infrastrukturprojekte auch in Kasachstan, einem Fokusland der Initiative, anschieben.

Von politischer Seite aus werden wir all das weiter flankieren. Erst im vergangenen Jahr war der deutsche Bundespräsident hier. Durch meine heutige Reise möchte ich unser Interesse an noch engeren Beziehungen unterstreichen. Die deutsche Wirtschaft teilt das Interesse; das zeigt die hochrangige, breit aufgestellte Wirtschaftsdelegation, die mich begleitet. Schön, dass Sie alle dabei sind!

Ich setze vor allem auf zwei Formate, um unsere Wirtschaftsbeziehungen weiter zu vertiefen: den Deutsch-Kasachischen Wirtschaftsrat und den Berliner Eurasischen Club. Beide Plattformen bieten Unternehmen die Möglichkeit, sich zu vernetzen, sich auszutauschen und gemeinsam Projekte voranzutreiben. Ich danke allen sehr, die sich dort einbringen, und ich ermutige diejenigen, die das noch nicht tun, sich das einmal anzuschauen.

Jetzt freue ich mich sehr auf den Austausch mit Ihnen allen. Es interessiert mich, wie Sie die Zusammenarbeit zwischen unseren Ländern erleben und welche Ideen Sie haben.

Schönen Dank insbesondere an die kasachische und die deutsche Wirtschaft für die Organisation dieses Forums!

Quelle: Rede des Kanzlers beim deutsch-kasachischen Wirtschaftsforum (bundesregierung.de)

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