41. Sitzung des Berliner Eurasischen Klubs in Brüssel: Kasachstan auf dem Weg zur Klimaneutralität

Berliner Eurasischer Klub in Brüssel bespricht Umsetzung der ESG-Kriterien / Kasachstan will bis 2060 klimaneutral werden
Die 41. Sitzung des Berliner Eurasischen Klubs in Brüssel am 17. Oktober 2024 diente einer Bestandsaufnahme, wo die kasachische Wirtschaft mit Blick auf das Thema ESG (Environmental, Social and Governance) aktuell steht und inwieweit die grüne Wirtschaftstransformation in der größten Volkswirtschaft Zentralasiens vorangekommen ist. Brüssel war als Veranstaltungsort gut gewählt, denn ESG-Regelungen werden nicht mehr national sondern im Verbund der Europäischen Union beschlossen und gestaltet.
Mit rund 40 Prozent ist die EU der wichtigste Handelspartner Kasachstans. Künftig werden nur mehr die Unternehmen im europäischen Markt eine Chance haben, die nachweisen können, dass sie die ESG-Kriterien einhalten oder auf dem Weg zu ihrer Umsetzung sind. Roman Vassilenko, stellvertretener Außenminister der Republik Kasachstan, skizzierte den rund 50 Konferenzbeteiligten in seiner Keynote dazu die ehrgeizigen Pläne der kasachischen Regierung: Bis 2060 will das Land komplett klimaneutral sein. Der Anteil von derzeit 6,5 Prozent Erneuerbarer Energien an der Erzeugung soll bis 2030 auf 15 Prozent gesteigert werden.
Deutschland gilt mit seiner jahrelangen Erfahrung und den weltweit modernsten Technologien nach den Worten des stellvertretenden Ministers für Umwelt und natürliche Ressourcen der Republik Kasachstan Mansur Oshurbaev im Rahmen des Transformationsprozesses als idealer Partner. Die Kooperation soll nach den Vorstellungen der kasachischen Partner dabei über das Thema Energie hinausgehen und auch Kreislaufwirtschaft, Green Building, grüne Logistik und grüne Finanzierung umfassen. Seit 2021 gilt in Kasachstan eine Umweltgesetzgebung, die sich stark an europäischen Regeln orientiert.
600 Millionen Dollar für grüne Projekte allein 2024
Vor allem beim Thema nachhaltige Finanzierung ist die Zusammenarbeit mit internationalen Finanzinstitutionen unabdingbar. Nach den Worten des Managing Directors des Internationalen Finanzcenters Astana (AIFC) Daniyar Kelbetov sind in diesem Jahr rund 600 Millionen Dollar für die Umsetzung grüner Projekte veranschlagt. Das dürfte jedoch nur der Anfang einer dauerhaften Entwicklung sein. Die Bedingungen für grüne Finanzierung und die Zertifizierung von Finanzprodukten stehen besonders im Fokus der Aufmerksamkeit. Europäische und internationale Förder- und Privatbanken sollen und müssen interessiert werden, um den Prozess mitzufinanzieren.
Die Europäische Union ist bereit, Kasachstan auf dem Weg in eine klimaneutrale Zukunft und bei der konkreten Umsetzung zu unterstützen, fachlich und finanziell. Cyrill Loisel, International Relations Officer in der „Energy Platform Task Force“ der Europäischen Kommission, betonte die Wichtigkeit der Transformation der kasachischen Energiewirtschaft insgesamt, aber auch die Zusammenarbeit auf anderen Gebieten wie strategischen Rohstoffen, der Kreislaufwirtschaft und sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit, um unter den gegenwärtigen geopolitischen Gegebenheiten eine von Russland und China unabhängigere Position einnehmen zu können.
Die neue Realität in den internationalen Wirtschaftsbeziehungen hat auch dazu geführt, dass sich Lieferketten, Wertschöpfung und die Suche nach neuen Partnern sehr dynamisch entwickeln. Damit kasachische Firmen Teil des Umstrukturierungsprozesses bleiben und werden können, ist auch eine Anpassung an die europäischen Berichts- und Nachweispflichten notwendig. Am Beispiel des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes verdeutlichte Sebastian von Haldenwang, Counsel bei Dentons, die Chancen für Lieferanten sich als neue Partner zu etablieren und den gesamten EU-Markt zu beliefern. Allerdings erfordere der Umgang mit den im Umfang massiven und in ihrer Stringenz überschaubaren Regelungen sehr viel Geduld und Expertise.
Fazit: Kasachstan hat einen klaren Plan für die Transformation des Landes hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft. Die Grad der Auseinandersetzung mit den europäischen Regelungen für ESG und Nachhaltigkeit ist weit fortgeschritten und macht das Land zu einem guten Partner für deutsche und europäische Unternehmen. Zumal die Voraussetzungen für die Erzeugung alternativer Energien aus Wind und Sonne besser kaum sein könnten: Mit dem Projekt Hyrasia One plant die deutsch-schwedische Svevind Group einen riesigen Wind-Solar-Wasserstoff-Park in Kasachstan, der bis zu zwei Millionen Tonnen grünen Wasserstoff oder elf Millionen Tonnen grünen Ammoniak pro Jahr produzieren könnte. Wenn die Produktion beginnt, wird Kasachstan auch ein potenzieller Lieferant für den hohen Bedarf an grünem Wasserstoff für Deutschland sein können.
Jens Böhlmann,
Direktor Mittelstand / Grüne Transformation im Ost-Ausschuss