24. Sitzung des Berliner Eurasischen Klubs

Kasachstan – Effizienzbrücke zwischen Asien und Europa

Berliner Eurasischer Klub - 24. Sitzung - Kasachstan – Effizienzbrücke zwischen Asien und Europa

Das chinesische Projekt der neuen Seidenstraße rückt Zentralasien in den Mittelpunkt wirtschaftspolitischer Debatten. Mit welcher Strategie die EU auf die Pläne Chinas reagiert und wie sich Kasachstan zu einem Bindeglied zwischen Asien und Europa entwickeln will, diese Themen standen im Mittelpunkt des 24. Treffens des Berliner Eurasischen Klubs (BEK), das der OAOEV und die Botschaft Kasachstans gemeinsam am 29. Oktober in Brüssel organisierten.

Wer auf dem Landweg aus Richtung Deutschland nach China fahren möchte, muss rund 8.500 Kilometer zurücklegen. Rund 3.000 Kilometer davon führen durch Kasachstan, das größte Binnenland der Erde. Mit einem gigantischen Wirtschaftsprogramm, das den poetischen Titel „Nurly Zhol“ (leuchtender Weg) trägt, bereitet sich Kasachstan darauf vor, zu einem Transport- und Logistic-Hub entlang der neuen Seidenstraße zu werden. „Wir wollen eine Effizienzbrücke zwischen Europa und Asien“ sein, betonte Bolat Nussupov, Botschafter der Republik Kasachstan in Berlin, zur Eröffnung der Brüsseler BEK-Sitzung.

Dabei geht es nicht allein um einen reibungslosen und möglichst schnellen Güterverkehr zwischen den westchinesischen Millionenstädten und den wirtschaftlichen Zentren der EU, Kasachstan wünscht sich insbesondere einen Schub für seine eigene Wirtschaft. Aktuell seien 67 Projekte in der Pipeline, für die ausländische Investoren gesucht würden, sagte Marat Birimzhan, stellvertretender Vorsitzender von KazakhInvest. Straßen-, Schienen- und Wasserwege (über das Kaspische Meer) werden ausgebaut und über multimodale Logistic-Hubs miteinander verbunden, Kraftwerke und Industriegebiete entlang der neuen Seidenstraße werden entwickelt und die IT-Infrastruktur ausgebaut. Auch auf Investoren in den Energie-Sektor hofft Kasachstan, das bereits heute der 4.wichtigste Öllieferant der EU ist. Im ganzen Land warten rund 5.000 Rohstofflagerstätten auf ihre Erschließung.

Mehr als nur Transit

Mit dem chinesischen Seidenstraßenprojekt sei durchaus die Gefahr verbunden, dass sich Zentralasien zu einer reinen Transitregion entwickele, sagte Michael Harms, Vorsitzender der Geschäftsführung des Ost-Ausschuss-Osteuropavereins der Deutschen Wirtschaft (OAOEV) als Moderator der Veranstaltung. Den beteiligten Ländern gehe es aber insbesondere um eine Steigerung der Wertschöpfung. „Die EU kann hier mit ihren Investitionen eine entscheidende Rolle übernehmen“, schlug Harms vor. „Für die deutsche Wirtschaft ist Zentralasien eine Chancenregion mit vielfältigen Projektmöglichkeiten.“

Daran anknüpfend erläuterte Boris Jaroševič, Leiter der Asien-Abteilung des Europäischen Auswärtigen Dienst, die neue EU-Strategie zur Verbesserung der Konnektivität zwischen Europa und Asien. Die EU wolle „gemeinsamer Spielregeln“ entwickeln, nicht nur für Energie-, Verkehrs- und IT-Netze, sondern auch für finanzielle Instrumente, soziale Fragen, Umweltstandards und Rechtstaatlichkeit. „Alle Regeln müssen dem Völkerrecht entsprechen“, so Jaroševič. Wichtig sei zudem, über die Region hinauszudenken und auch Länder wie Afghanistan, Pakistan oder Indien in die Entwicklungsstrategie miteinzubeziehen.

In Verbindung mit der für das kommende Jahr geplanten EU-Zentralasien-Strategie sollen im kommenden Jahrzehnt erhebliche EU-Mittel für Zentralasien eingesetzt werden. „Kasachstan ist ein Schlüsselpartner für Frieden und Stabilität in der Region“, betonte Jaroševič und kündigte Visa-Erleichterungen für Kasachen und die Aufstockung der Mittel für das Erasmus-Plus-Programm zur Förderung des Studentenaustausches an.

Forderungen an die EU

Im zweiten Teil der Veranstaltung wurden Projekte im Bereich Logistik und Energie vorgestellt. Rainer Lindner, CEO für Mittel- und Osteuropa, Mittlerer Osten und Afrika bei Schaeffler, unterstrich die großen Kostenvorteile für sein Unternehmen durch schnellere Schienenverbindungen zwischen Europa und China. „Wir möchten, dass Kasachstan noch enger in die EU-Prozesse integriert wird und dass die EU konkrete Schritte unternimmt, die Kontinente Asien und Europa noch enger zusammenzubringen“, sagte Lindner an die Adresse der EU-Vertreter. Dies sei die richtige Antwort auch auf aktuelle „Antiglobalisierungsprozesse“.

Ähnlich äußerte sich Ulf Schneider, Generaldirektor des Beratungsunternehmens Schneider GROUP. „Wir brauchen die positive Vision eines gemeinsamen Wirtschaftsraums von Lissabon bis Wladiwostok“, so Schneider. „Wir brauchen offizielle Gespräche zwischen der EU-Kommission und der Eurasischen Wirtschaftskommission zur Abstimmung gemeinsamer Normen, Standards, Visa-Regeln oder Zollverfahren.“ Die politische Krise zwischen der EU und Russland sollte offizielle Gespräche nicht länger blockieren. Die Idee des gemeinsamen Wirtschaftsraums sei schließlich keine russische Erfindung, als erster habe sie 1994 der kasachische Präsident Nursultan Nasarbajew geäußert.

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