Das wirtschaftliche Potential des Kaspischen Meeres
26 Jahre lang musste verhandelt werden: Im August 2018 verständigten sich schließlich im kasachischen Aktau die Regierungschefs der fünf Anrainerstaaten Russland, Kasachstan, Turkmenistan, Aserbaidschan und Iran auf eine neue „Verfassung“ für das Kaspische Meer. Auch wenn der Vertrag noch nicht von allen Ländern ratifiziert wurde und einige Fragen zur Veräußerung von Grund und Boden offenblieben, regt die gefundene Einigung bereits die Fantasie internationaler Investoren an. Anlass für den Berliner Eurasischen Klub (BEK), das wirtschaftliche Potenzial des Kaspischen Meeres genauer unter die Lupe zu nehmen. Organisiert wurde das Treffen durch den Ost-Ausschuss – Osteuropaverein (OAOEV) und die Botschaft Kasachstans. Als Moderatoren fungierten der Vorsitzende der OAOEV-Geschäftsführung Michael Harms und OAOEV-Zentralasiendirektor Eduard Kinsbruner.
Rohstoffe für 100 Jahre
In seiner Eröffnungsansprache im Berliner Maritim Hotel wies der kasachische Botschafter Bolat Nussupov vor vollem Saal auf die reichen Bodenschätze in und an den Ufern des Kaspischen Meeres hin. Die dort vorhandenen Ressourcen könnten den Energiebedarf des Kontinents Eurasien für hundert Jahre decken. Durch die Klärung des rechtlichen Status sei nun auch der Weg frei für Pipelineprojekte zum Transport von Öl und Gas aus Richtung Kasachstan oder Turkmenistan hinüber nach Aserbaidschan und weiter bis nach Europa. Überdies habe das Kaspische Meer das Potenzial, eine internationale Handels- und Transitdrehscheibe zu werden. Die chinesische Seidenstraßeninitiative sei dazu ein willkommener Impuls, ergänzte der Stellvertretende kasachische Außenminister Roman Vassilenko.
Ähnlich äußerte sich Anke Konrad, Leiterin des Referats für „Digitale Transformation und Mobilität“ im Auswärtigen Amt. Das Kaspische Meer läge im „Herzen der Seidenstraße des 21. Jahrhundert“, die Anrainerstaaten seien bereits auf dem Weg zu einem „Hub Chinas“ Richtung EU zu werden. Viel werde derzeit in neue Häfen und Schiffsverbindungen investiert. Die EU wolle hier mit ihrer Konnektivitätsstrategie der chinesischen Initiative ein alternatives Angebot entgegensetzen: „Auch wir wollen in den Ausbau der Infrastruktur investieren, aber unter Beibehaltung der vollen Souveränität der beteiligten Länder.“
Während auch Osama Romhi, Vizepräsident Sales und Business Development von Kühne & Nagel, die Chancen des Kaspischen Meeres als Transitkorridor positiv einschätzte, äußerte sich Sascha Trepte, Leiter Unternehmensentwicklung und Strategie der Duisburger Hafen AG, skeptischer. Duisburg ist ein wichtiger Endpunkt von Zügen, die über die Nordroute aus Richtung China durch Kasachstan und Russland nach Mitteleuropa fahren. Bis 2027 rechne sein Unternehmen mit bis zu 650.000 TEU (Twenty-foot Equivalent Unit) über die Nordroute, während das Potenzial für die Südroute am Kaspischen Meer nur bei 19.000 TEU läge, sagte Trepte. Die nötigen Modalwechsel beim Transport per Schiene und Schiff würden die Kosten deutlich erhöhen. Hinzu kämen politische Risiken, etwa durch den Konflikt der USA mit dem Iran ergänzte Lars Preußer, Sicherheitsexperte der Laurentium GmbH. Ob sich also die Hoffnungen wirklich erfüllen, die sich mit dem Kaspischen Meer verbinden, wird die Zeit zeigen müssen.